Das Neue Rathaus

Das Neue Rathaus; Foto: Fraktion

Oft gesehen und doch wenig beachtet: In dieser Tour wollen wir euch das Neue Rathaus in Leipzig näherbringen.
Leipzig wurde seit Beginn des 13. Jahrhundert von vier Burgen geschützt, wovon schließlich die Pleißenburg als markgräfliches Schloss übrig blieb.
1897: Aus Platzmangel im Alten Rathaus wird die Pleißenburg abgebrochen und darauf das Neue Rathaus erbaut. Erhalten blieben nur der Turm und die Kasematten unter dem Burgplatz.
Seit 1905 ist es der Sitz der Leipziger Stadtverwaltung.
Das Neue Rathaus, in der Form eines unregelmäßigen Fünfecks, gehört zu den bedeutendsten deutschen Rathausbauten und zeichnet sich durch seine künstlerische Innengestaltung und seinen reichen Fassadenschmuck aus.
In ihm befinden sich rund 700 Räume (442 Büros, 2 Wandelhallen, der historische Ratsplenarsaal, der moderne Sitzungssaal des Stadtrates und Festsaal.

Goerdeler-Denkmal; Bild: Fraktion

Das Goerdeler-Denkmal

Nähert man sich vom Südwesten her dem Rathaus, begrüßt einen täglich 5:55 Uhr, 11:55 Uhr, 17:55 Uhr und 23:55 Uhr der Klang einer Bronzeglocke. Er kommt aus einem 5 Meter tiefen und im Durchmesser 2,75 Meter messenden Glockenschacht, in dem eine Bronzeglocke hängt.
Es ist das Ehrenmal für den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler (1884 – 1945).
Nach dem Abriss des Mendelssohn-Denkmals vor dem alten Gewandhaus durch die Nationalsozialisten im November 1936 reichte Goerdeler sein Rücktrittsgesuch ein. In der Folgezeit wurde er zum Mittelpunkt ziviler Widerstandskreise und Verbindungsmann zum militärischen Widerstand des 20. Juli 1944. Er wurde am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Auf den kreisförmigen Steinstufen finden sich, chronologisch von außen nach innen geordnet, ausgewählte Zitate aus Briefen, Reden und Texten Carl Friedrich Goerdelers.

Stele zur Friedlichen Revolution; Bild: Fraktion

Stele zur Friedlichen Revolution 1989

Geht man weiter in Richtung Haupteingang, begegnet man einer Stele der „Orte der Friedlichen Revolution 1989“. Das Bürgerkomitee Leipzig e. V. schuf 2010 die Ausstellung im Leipziger Stadtraum. Dort werden auf Stelen aus Streckmetall, das in der DDR für Grenzsicherung eingesetzt wurde, die 20 wichtigsten Punkte markiert, an denen 1989/90 Aktionen des politischen Widerstandes in Leipzig stattfanden. Mit der Errichtung der thematischen Stelen mit Texten und Fotos werden im Stadtbild wichtige Orte der Friedlichen Revolution erlebbar und halten somit die Erinnerung an das Umbruchsjahr 1989 wach.
Die Stele am Rathaus erinnert an die Runden Tische in der DDR.
Im Verlauf des Dezember 1989 verlor das alte Regime immer mehr an Macht. DDR-weit traten Runde Tische zusammen und sicherten damit die Regierbarkeit der Städte und ebneten den Weg für demokratischen Strukturen. In Leipzig begannen sie am 1. Dezember 1989.
Am 26. Januar 1990 löste sich die Stadtverordnetenversammlung aufgrund der nachgewiesenen Fälschung der Kommunalwahl 1989 selbst auf. Damit übernahm der Runde Tisch der Stadt Leipzig, der im Neuen Rathaus tagte, die Aufgaben des Stadtparlaments. Seine Kompetenzen gab er erst am 6. Mai 1990 an den neugewählten Stadtrat ab.
Damals noch getrennt mit einer Fraktion Bündnis 90 und einer Die Grünen. 1994 fand nach einem demokratischen Verschmelzungsprozess der bundesweite Vereinigungsparteitag zu Bündnis 90/Die Grünen in Leipzig statt.

Außenfassade des Neuen Rathauses; Quelle: Fraktion

Außenfassade und Haupteingang

Das Neue Rathaus zeichnet sich besonders auch durch seinen reichen Fassadenschmuck aus.
Die Außenfassade aus silbergrauem Muschelkalkstein greift Elemente aus Renaissance, Barock und Jugendstil auf. Sie ist geschmückt mit einer Vielzahl plastischer Details – Skulpturen und Reliefs mit thematischem Bezug zur Stadt und ihren Bewohnern.

Fabelwesen am Neuen Rathaus; Foto: Fraktion

Neben dem Löwen als Wappentier, der variantenreich vertreten ist, finden sich hier die fünf Statuen „Handwerk“, „Gerechtigkeit“, „Buchkunst“, „Wissenschaft“ und „Musik“, die Stadtgöttin Lipsia sowie unzählige Tier- und Fabelwesen.

Bürgermeister-Medaillons; Foto: Fraktion

Über den hohen Rundbogenfenstern der Ostseite steht die Inschrift „Fortiter in re, suaviter in modo, constanter in se“ – „Streng in der Sache, mild in der Form, treu sich selbst“. Dazwischen zeigen Medaillons mit den Bildnissen von Otto Georgi, Bruno Tröndlin, Gustav Goetz und Otto Schill ehemalige Vorsteher des kommunalen Parlaments. Es sind die einzigen Porträts von Zeitgenossen des Rathausbaus an den Außenfassaden.

Wappentier der Stadt Leipzig; Foto: Fraktion

Den Großteil des Fassadenschmucks und der figürlichen Elemente im Inneren des Neuen Rathauses entwarf der damals noch unbekannte Münchener Bildhauer Georg Wrba. Neben dem Löwen als Wappentier zeigen die Bauplastiken Allegorien aus der antiken und christlichen Mythologie, Figuren aus der deutschen Märchenwelt sowie unzählige Masken, Fabelwesen und Tierdarstellungen.

Türklinken am Haupteingang; Foto: Fraktion

Damit die Beamten immer an das Arbeiten erinnert werden, hat der Architekt an dem reich verzierten Tor auf jeder Türklinke eine Schnecke gestalten lassen...

Rathausvorplatz; Foto: Fraktion

Auf dem Rathausvorplatz spiegeln sich die Namen der internationalen Städtepartnerschaften der Stadt Leipzig wieder, die in den Boden gemeißelt sind.

Neues Rathaus bei Nacht; Foto: Fraktion

Tipp: Eine besondere Faszination entfalten die immer neuen Lichtspiele und sich verändernden räumlichen Fassadeneindrücke in der Dunkelheit, wenn man langsam um das Rathaus geht.

Treppenhaus; Foto: Fraktion

Treppenhaus, Wandelhalle

Besonders beeindruckt das reich ausgeschmückte Haupttreppenhaus und der historische Ratsplenarsaal, die beide noch fast ursprünglich erhalten sind.

Die Deckengestaltung über der Haupttreppe zeigt ein Sonnenmotiv mit dem Tierkreis in Jugendstilform. Dieser Treppenaufgang war zu DDR-Zeiten durch eine rote Kordel gesperrt und nur besonderen Staatsgästen vorbehalten. Der erste frei gewählte Oberbürgermeister nach der Friedlichen Revolution, Dr. Hinrich Lehmann-Grube, schnitt 1990 als seine erste Amtshandlung im Amt diese Absperrung demonstrativ durch und öffnete so sinnbildlich das Rathaus für alle Menschen.

Obere Wandelhalle; Foto: Fraktion

Mit ihrer eleganten und festlichen Architektur bildet die höhere und hellere Obere Wandelhalle einen wirkungsvollen Übergang zum historischen Ratsplenarsaal, dem Stadtrats- und dem Festsaal. In Unterer und Oberer Wandelhalle werden oft Ausstellungen gezeigt.

2023 wurden bei Restaurierungsarbeiten am Ratsplenarsaal historische Schmuckornamente mit dem dunkelgrünen Schriftzug „Ratsplenarsaal“ und Farbgestaltungen mit den Visionen von Hugo Licht aus der Entstehungszeit des Gebäudes 1905 freigelegt und sichtbar gemacht.

Gedenktafel in der oberen Wandelhalle; Foto: Fraktion

Gedenktafel an die im Nationalsozialismus ermordeten Stadtverordneten

Im Neuen Rathaus gibt es seit 1994 eine kleine Gedenktafel. In der Oberen Wandelhalle wird an die ermordeten Stadtverordneten gedacht, die in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes zwischen 1933 und 1945 ermordet wurden.

Ratsplenarsaal; Foto: Fraktion

Der Ratsplenarsaal

Der historische Ratsplenarsaal gehört zu den schönsten Räumen im Neuen Rathaus.
Die Wände gliedert ein Edelholzpaneel, darüber ist kostbarer Stoff gespannt. Zwei Kamine schmücken die Stirnseiten des Raumes.
Besonders beeindruckt die reich bemalte Kassettendecke mit der Inschrift "Viribus unitis" (mit vereinten Kräften) und macht das besondere Flair des Saales aus. Der Deckenhals des Saales trägt die Namen Leipziger Bürgermeister vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert.
Früher als Stadtratssaal genutzt, dient er heute vorwiegend für repräsentative Veranstaltungen und wenige Hochzeitstermine.

Sitzungssaal des Stadtrates; Foto: Fraktion

Der Stadtratssaal

Der Sitzungssaal des Stadtrates dürfte der wohl am meisten umgebaute Raum im Neuen Rathaus sein. Der Saal diente der Stadt vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg als reich geschmückter Sitzungssaal. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert wurde er immer wieder grundlegend verändert, in den 60er Jahren an die „Erfordernisse“ des Sozialismus angepasst.
Der letzte Umbau stammt von 2019 und hat die Wesenszüge der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufgenommen: ein viel zu hohes Präsidium der Verwaltung abgesenkt und so einen Stadtrat auf Augenhöhe, frische freundliche Atmosphäre, zugebaute Fenster geöffnet und moderne Tagungstechnik wurde eingebaut.
Jede*r ist gern bei den öffentlichen Stadtratssitzungen auf der nunmehr großzügig umgestalteten Besucherempore gesehen.

Rathausturm; Foto: Fraktion

Der Turm

Der Rathausturm ist ein prägendes Wahrzeichen Leipzigs.
Er ist 114,7 Meter hoch und damit höchster Rathausturm Deutschlands. Er wurde auf dem alten Fundament der früheren „Pleißenburg“ aus dem 13. Jahrhundert errichtet. Vom vierten Obergeschoss aus führen 250 Stufen zum oberen Turmgang mit einem beeindruckenden Blick über die Stadt, der im Rahmen einer Führung besichtigt werden kann (siehe Hinweise).

Rathausuhr von hinten; Foto: Fraktion

Besonders sehenswert ist die blaue Rathausuhr mit der Inschrift „MORS CERTA, HORA INCERTA“ (Der Tod ist Gewiss, die Stunde ungewiss).
Auf Giebel symbolisiert eine weibliche Figur die Göttin der Wahrheit.

Kasematten; Foto: Fraktion

Die Kasematten

Die Kasematten sind das letzte Überbleibsel der früheren „Pleißenburg“ aus dem 13. Jahrhundert. Sie befinden sich in acht Meter Tiefe unter dem Burgplatz z. T. unter der dortigen Tiefgarage.
Ursprünglich wurden sie zu Verteidigungszwecken als ein vor Artilleriebeschuss geschütztes unterirdischen Gewölbe gebaut.
Zu DDR-Zeiten bis 1991 dienten sie als Weinlager des VEB Stadtkellerei Leipzig. 3 alte Weinfässer zeugen heute noch davon.
Der zugemauerte Ausgang auf der rechten Seite ist die Ecke an der Deutschen Bank. Diese wurde zerbombt, der Zugang später zugemauert.
Die noch erkennbaren Gitter dienen nur noch zur Belüftung. Man würde - könnte man durch Wände gehen - in 5 Metern den Eingang zum Stadthaus erreichen.
Die Kasematten sind heute anmietbar und sehr beliebt z.B. für viktorianische Hochzeiten.

Paternoster; Foto: Fraktion

Hinweise:

Das Gebäude verfügt über einen der letzten öffentlich zugänglichen und funktionstüchtigen Paternosteraufzüge Deutschlands.

Jeden Sonntag um 11 Uhr findet ein Rundgang durch das Neue Rathaus mit Turmbesteigung und zusätzlicher Besichtigung der Kasematten unter dem Burgplatz statt.